»Eine unvermutete Schicht der Wirklichkeit«

Das Medienkunstprojekt »Parallelwelt«


In Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rathenower Optik GmbH realisierte der bildende Künstler Roland Eckelt (atelier havelblick) anlässlich der 2. Film+Medientage Havelland die Videoinstallation »Parallelwelt«. Ausgangsmaterial des Medienkunstprojektes ist ein historischer Fernsehbeitrag über die Produktionsbedingungen der optischen Industrie in Rathenow, der 1986 in der DDR-Fernsehsendung »Prisma« zu sehen war. Aufgenommen wurde er in den Produktionsstätten der Rathenower Optischen Werke, dem Vorgängerbetrieb der Rathenower Optik GmbH. An diesem historischen Filmmaterial, das vom Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam zur Verfügung gestellt wurde, orientiert sich die Produktion eines neuen Films, der die Arbeitsbedingungen und den Produktionsprozess von 1986 aus heutiger Sicht spiegelt. Nebeneinander montiert werden die beiden Filme zeitgleich parallel ablaufend auf einer Leinwand gezeigt.

Über Hintergründe des Projekts »Parallelwelt« und seinen künstlerischen Ansatz sprach Roland Eckelt mit Dr. Peter Funken.

Peter Funken

Das Filmkunstwerk »Parallelwelt« besteht aus zwei parallel gezeigten Filmen. Als Ausgangsmaterial dient dir eine Reportage des DDR-Fernsehmagazins »Prisma« von 1986, die die Brillenproduktion in den Rathenower Optischen Werken mit ihren Problemen und Lösungsangeboten vorstellt. Dieses zehnminütige Feature konfrontierst du mit aktuellen Bildern und Filmszenen aus der heutigen Produktion am gleichen Ort, wobei du die Einstellungen und Schnitte des alten Features fast 1:1 übernimmst. Wozu führt diese Adaption der über 20 Jahre alten Filmvorlage für den neuen Film?

Roland Eckelt

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Geschäftsführung und Mitarbeitern der Rathenower Optik GmbH. Bei den Filmszenen traten Beschäftigte des Werkes an authentischen Arbeitsplätzen auf. Die Filmcrew bestand aus Azubis, die bei dem Parallelprojekt herausgefordert waren, die Produktionsbedingungen von 1986 mit denen von 2007 zu vergleichen. Dabei stellten sie Unterschiede und Ähnlichkeiten in den technischen Abläufen fest. Darüber hinaus gibt es natürlich große Unterschiede für die Rahmenbedingungen – ich meine vor allem gesellschaftliche und kulturelle Bedingungen, die die Biografien der Menschen betreffen. Zukunft besteht nach meiner Auffassung aus einem Konglomerat von Vergangenheit und Gegenwart – und dadurch, dass wir die Filme nebeneinander stellen, entwickelt sich eine neue dritte Ebene, die die absolute Modernität der gegenwärtigen Bilder relativiert. Für unseren Film haben wir eine »Spielanleitung« von 1986 benutzt, die Kameraeinstellungen, Rhythmus und Schnittfolgen betraf. Heute würde ein Film über die Produktion bei der Rathenower Optik GmbH wahrscheinlich ein anderes Tempo, andere Schnitte und Bilder verwenden. Wir hingegen kochen die alte Suppe in einer modernen Küche mit einem neuen Thema auf – ich denke jetzt an Themen wie Wettbewerb, Effizienz und Produktionsbedingungen. Gleichzeitig sieht man in dem Parallelfilm einen Teil der Werksgeschichte und ihre Entwicklung bis heute. Es handelt sich vor allem um ein künstlerisches Experiment.

Peter Funken

Worin besteht dieses künstlerische Experiment?

Roland Eckelt

In meinen künstlerischen Arbeiten der letzten Jahre habe ich immer wieder versucht, bekannten Dingen und Handlungsweisen eine unerwartete Bedeutung zu geben – so habe ich etwa innerhalb einer Ausstellung die Besucher beauftragt, sich bewusst zu langweilen – was natürlich nicht funktioniert. Vergleichbar bei »Parallelwelt«: hier werden nicht nur Bilder und Themen gegenüber gestellt, sondern es existiert
der direkte Verweis auf eine andere Ebene, eine unvermutete Schicht der Wirklichkeit. Die Zuschauer werden also in eine Parallelwelt hineingezogen.

Peter Funken

Mich erinnert das an ein Konzept des Surrealismus, wo in der unerwarteten Zusammenkunft von an sich fremden Dingen und Objekten etwas Seltsames und Überraschendes eintritt?

Roland Eckelt

Ist das nicht eine Eigenschaft gelungenen Kunstwerken, die immer auch auf Bedeutung außerhalb ihrer selbst verweisen?