DAS FILMPROGRAMM

Für Seher


Das Filmprogramm findet in den Haveltor Kinos, Vor dem Haveltor 1, 14712 Rathenow, statt.


Erste Blickkontakte mit dem Sehen  im Film nimmt das Filmprogramm der 2. Film+Medientage Havelland auf: unsere »Blickspur« streift verschiedene Aspekte des Sehens, denen sie assoziativ folgt. So entsteht ein kleines Kaleidoskop von Sehweisen im Film. Das Filmprogramm setzt keinen spezifischen Themenschwerpunkt – das bleibt den folgenden Film+Medientagen Havelland vorbehalten – sondern versteht sich als Versuch, die Bandbreite des Themas »Sehen im Film« zunächst unter verschiedenen Aspekten auszuloten.

Unter dem Oberbegriff Sehen  finden sich Filme über die Technik des Sehens. Unmittelbare, ungefilterte Wahrnehmung zeigt der Film-Essay 400 km Brandenburg (2002) von Bernhard Sallmann – auf 16 mm und in schwarz-weiß dokumentiert er Sallmanns Fußwanderung um Berlin herum und die Begegnung mit der Landschaft und ihren Menschen: »Ein Film über die dauernde Neugierde, zu sehen und zu hören« – wie er selbst sagt. Ein optisches Gerät spielt die entscheidende Rolle im Filmklassiker Blow up (1966) von Michelangelo Antonioni: hier ist die Wahrnehmung der Kameralinse der des menschlichen Auges überlegen und führt zur Entdeckung eines Mordes. Dass Antonionis Meisterwerk im Sommer 2007 wieder in die Kinos kam, belegt, wie aktuell Film und Sujet sind.

Optik im ganz konkreten Sinne steht im Mittelpunkt des Videokunstprojekts Parallelwelt (2007) von Roland Eckelt: zusammen mit MitarbeiterInnen der Rathenower Optik GmbH drehte er eine Prisma-Reportage des DDR-Fernsehens von 1986 über die optische Industrie in Rathenow szenengleich nach – in einer heutigen Rathenower Produktionsstätte und aus heutiger Sicht gespiegelt. Beide Filme werden als Doppelprojektion nebeneinander gezeigt: Das Unsichtbare, die Zeit zwischen den gezeigten Bildern, wird sichtbar.

Um DDR-Geschichte und Gegenwart geht es auch in dem Dokumentarfilm Vor Einbruch der Dunkelheit (2006) von Jean Christopher Burger und Jana Soffner. Der Film, der im Rahmen des Fensterprogramms von »achtung berlin – new berlin film award« läuft, handelt vom Sehen und Träumen: er porträtiert das ehemals einzige Autokino der DDR im brandenburgischen Zempow und seine treuesten Kinogänger in ihrer heutigen Lebensrealität.

Ebenfalls DDR-Geschichte, aber in diesem Fall als vorgetäuschte Realität, ist unter dem Oberbegriff WunschSehen  das Thema eines Filmvortrags von Manja Meister. Sie stellt Ausschnitte aus zwei Imagefilmen vor, die im Auftrag des DDR-Außenministeriums für das (westliche) Ausland zur Darstellung des »ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates« produziert wurden: Der Kinder wegen – Flucht ins Vaterland (1963) von Winfried Junge, dem Dokumentaristen der »Kinder von Golzow«, und Deutschland – Endstation Ost (1964) des belgischen Dokumentarfilmers Frans Buyens. Die DDR-Bevölkerung bekam diese Filme nicht zu sehen.

Dem geschönten DDR-Bild dieser Propagandafilme steht die düstere Realität des Stasi-Staates gegenüber, die Florian Henckel von Donnersmarck in dem Spielfilm Das Leben der Anderen (2006) vielschichtig in Szene setzte – und dafür 2007 einen Oskar für den besten fremdsprachigen Film bekam. Überwachen  ist die Kategorie, unter der dieses fesselnde Kinoerlebnis mit Ulrich Mühe in der Hauptrolle im Filmprogramm läuft. Dass Observation auch in der bundesrepublikanischen Gegenwart eine brisante Problematik darstellt, thematisiert David Dietl in seinem düsteren Spielfilm Auf Numer sicher? (2007), dem zweiten Fensterfilm von achtung berlin – new berlin film award.

Nicht weniger beunruhigend ist der Dokumentarfilm Das Netz (2003) von Lutz Dammbeck, ein packender Thriller über die Entstehung des Computerzeitalters in einer Genremischung aus Laptop-Roadmovie und Polit-Krimi, der schwindelerregende Verbindungen zwischen Hippie-Kultur, Systemtheorie, Kybernetik, Militär und Bewusstseinskontrolle schafft. Er läuft unter dem Oberbegriff Visionen  ebenso wie Bernhard Sallmanns Film Die Lausitz 20 x 90 (2004), der in zwanzig neunzig Sekunden langen unkommentierten Einstellungen die Veränderung einer Landschaft zeigt. Ein Film über Bilder ist auch Derek Jarmans Blue (1993), der vielleicht ungewöhnlichste Film im Festivalprogramm: Während bei Sallmann die Bilder ohne Worte sprechen, sieht man bei Jarman nur Blau, und aus dem gesprochenen Text in Verbindung mit der Farbe entstehen innere Bilder. Der Film, der in die Kategorie nicht sehen  fällt, ist eine schöne und berührende Meditation über das Leben und den Tod.

Um Blindsein und Blindwerden geht es auch im Eröffnungsfilm des Filmprogramms Erbsen auf halb 6 (2003) von Lars Büchel, einer heiter-skurrilen Liebesgeschichte in opulenten Bildern, die uns Blindheit mit neuen Augen sehen lässt. Und der Kinder- und Jugendfilm Die Blindgänger (2004) von Bernd Sahling, der von Anderssein, Freundschaft und Toleranz handelt, lädt sein jugendliches Publikum insbesondere durch den außergewöhnlichen Einsatz von Musik und Geräuschen zu einem anderen Sehen  ein.

Einer der Höhepunkte ist ohne Zweifel der einzige Hollywoodfilm im Programm: Die Vorahnung (2007) des deutschen Regisseurs Mennan Yapo mit Sandra Bullock in der weiblichen Hauptrolle. Der Thriller über die Vorahnung einer Ehefrau, die den Unfalltod ihres Mannes vorauszusehen glaubt, wird in Rathenow als Vorab-Vorführung der 2. Film+Medientage Havelland noch vor seinem deutschen Kinostart zu sehen sein.

Das Filmprogramm im Überblick:
400 km Brandenburg
Blow up
Blue
Das Leben der Anderen
Das Netz
Die Blindgänger
Die Vorahnung
Emil und die Detektive
Erbsen auf halb 6

Im Fensterprogramm von achtung berlin - new berlin film award werden folgende Filme gezeigt:
Auf Nummer sicher?
Vor Einbruch der Dunkelheit

defa spektrum präsentiert die Filme:
Der Kinder wegen - Flucht ins Vaterland
Endstation - Deutschland Ost